Wer die Geschichte der Westumer
Schützengesellschaft studiert hat, wird festgestellt haben, dass diese
jahrhunderte lang das gesellschaftliche Leben im Ort und in den Bauerschaften
bestimmt hat. Alte Sitten und Gebräuche wurden streng gehegt und gepflegt.
Wenn heute mancher Brauch aus der Vergangenheit verschwunden ist, so muss
man dass in erster Linie wohl den beiden Kriegen unseres Zeitalters zuschreiben,
aber auch dem Umstand, dass unsere Jugend nicht mehr das nötige Verständnis
für das Althergebrachte aufbringt. Es ist deshalb wohl berechtigt
Sitten und Gebräuche aus der Vergangenheit zurückzuholen.
Erstes fest war Fastaobend
- Karneval nennen wir es heute. Seit undenklichen Zeiten besteht Emsdettener
Fastaobend. Es gab zwar nicht den grossen Rosenmontagsumzug, sondern es
feierte jeder in seiner Nachbarschaft oder seiner gesellschaft Fastaobend.
Bei den Westumern verlief das Fest folgendermassen, ähnlich mag es
auch wohl bei den anderen Gesellschaften der Fall gewesen sein.
Schon Wochen vor Fastaobend
setzte sich der Vorstand zusammen. Ein eigenes Lied wurde für Fastaobend
gedichtet. Dann überlegte man, welche Narretei man Fastaobend anstellen
könnte. Wenn Fastaobend Herangekommen war, zog man aus und wanderte
von von Haus zu Haus in der Bauerschaft. Der Trecksack fehlte nicht, auch
nicht die "Stölpen". Allerlei Radaugeräte hatte man angefertigt,
schliesslich waren die Wannenmacher und Schreiner findige Leute. Zum Fastaobend
gehörte auch die lustige Verkleidung. Allerlei ausrangierte Kleidungsstücke
kamen an diesem Tag wieder zu Ehren. Auf Schiebkarren und kleinen Wagen
demonstrierten die Leute aktuelle Tagesereignisse in humorvoller Weise.
So zog man von Haus zu Haus und sammelte Mettwürste. Jeder musste
zum Fest beitragen und musste zur Mettwurst noch ein "Kassmännken"
(25 Pfennig) geben. Dafür durften alle Angehörigen am Fest teilnehmen,
frei Essen, trinken und rauchen. Der Tabak stand auf dem Tisch. Als zünftiges
Fastaobendiärten gab es Iärften und Wuorst.
Hunderte von Jahren hat
sich dieser Brauch erhalten. Später jedoch hielten die Gesellschaften
ihren Fastnachtsumzug im Ort. Erwähnt werden muss noch, wie die damenwelt
zum Fastaobend ging: mit Umschlagtuch und Kattunschürze und in blankgescheuerten
Holzschuhen.
Ein uralter Brauch war von
jeher das Abbrennen eines Osterfeuers (Pooschkefuer). Bis zum Jahre 1939
hielten die Westumer an diesem Brauch fest. Da sehr viel Abfallholz vorhanden
war, machte es keine grosse Mühe ein grösseres Feuer anzufachen.
Doch in all den Jahren wurde auch dieses knapper und man kaufte die "Buschen"
bis es finanziell nicht mehr erschwinglich war. Interessant ist,
wie ein grosses Osterfeuer zustande kam. Ein bestimmter Platz war Wochenlang
vorher bestimmt, wo das Osterfeuer abgebrannt werden sollte. Am 1. Osterfeiertag,
nach der Vesper, waren mehrere Wagen bestellt. Sie fuhren von Haus zu Haus
um das bereitliegende Holz einzusammeln und zu verladen. Vorher aber gingen
zwei Mann vom Vorstand, oder ältere Bekannte Leute mit der Pulle rund.
Jeder Hausbesitzer bekam ein "Schnäpsken". Auch der Beutel fehlte
nicht, in dem jeder reinstecken konnte was er wollte. (Es sollen auch manchmal
Knöpfe darin gefunden worden sein.) Nachdem man das Holz aufgeschichtet
hatte und das Kreuz errichtet war, konnte bei Anbruch der Dunkelheit das
Feuer angezündet werden. Nachdem die Osterlieder gesungen waren, kreiste
die "Pulle" in der Runde; denn von dem Geld das man am Nachmittag in den
Beutel bekommen hatte, erhielt jeder sein "Schnäpsken". So war das
"Pooschkefuerabbrennen" eine langjährige Tradition in den Bauerschaften.
Tüsken Saien und Maihen
vor Schützenfest ist die zeit, in der früher die meisten Hochzeiten
stattfanden. Es war ein alter Brauch, das der, der aus der Jungesellen-Gesellschaft
ausschied, Bier spendierte. Der eine gab eine Tonne, der andere eine halbe
oder auch eine viertel Tonne Bier. Alles dieses war mit einer Festlichkeit
und mit einem Tanzvergnügen verbunden.
"Schüttenbeer", das
ist der alte Name für das schönste Volksfest in Emsdetten. Auch
wenn das Plattdeutsche heute nicht mehr so in Mode ist, so ist es doch
noch für viel "Schüttenbeer" oder "Beerdag". Schützenfest
beginnt jeweils 4 Wochen vor dem Fest. Dann wird an einer Versammlung der
Vorstand bestimmt. "Utbeinken". Es wurden zwei Hüte oder Kappen aufgestellt.
Wer wählt, gibt sein Böhnchen für seinen Kandidaten ab.
Die Mehrzahl der Böhnchen entscheidet: deshalb nannte man es "Utbeinken".
Wenn alle Chargierten bestimmt sind, erschallt das Kommando des Majors:
" Alles raustreten ". Man formierte sich zum Zug und im Gänsemarsch
ging es mit Gesang ins Dorf zu den Wirtschaften, die einem gewogen waren.
An den folgenden zwei oder
drei Sonntagen fand dann auf dieser oder jener Tenne das "Danzenlähren"
statt. So konnten jung hinzugekommene Mitglieder das Tanzen erlernen. (Tanzkurse
gab es damals noch nicht) Zwar dieses verboten; denn auch damals
gab es schon die Lustbarkeitssteuer, aber man half sich, indem man überall
Posten ausstellte, um so den herannahenden Feind, die Polizei, zu erkennen
und die Tanzenden zu warnen. Aus jeder Aktion die mit dem Schützenfest
zu tun hatte, verstanden es die Leute ein Fest zu machen. An den Tagen
vor "Schüttenbeer" wusste man immer zu feiern. Am Sonntag wurden die
Damen der Mitglieder persönlich eingeladen. Am Montag war Säbelputzen
für Offiziere und Fähnriche, Mittwoch
Schilderputzen der Königsketten, am Donnerstag Grünholen für
die Ausschmückung des Saales, am Freitag war "Kränzen" mit Damen
angesagt und am Samstag das Vogelwegbringen mit anschliessendem Tanz. Am
Sonntag fand das Schiessen zum Vogelkönig
(Hauptkönig) statt, Montag das Schiessen zum Sternkönig.
Dienstag wurde gehext -- und -- am Mittwoch war
man pleite.
Leider ist ein uralter Brauch
ausgestorben, der so schön zur Geschichte unserer Heimat passte. Wenn
der König geschmückt mit seinem
Dreispitz, (à la Friderikus Rex) mit bunten Bändern geschmückt,
an seinem Haus mit der Gesellschaft aufmarschierte, dann empfing ihn die
Nachbarschaft mit einem Freitrunk (das Schenken). Der Trunk wurde ihm kredenzt
aus einer Wanne, auf der ein Bullenkopp Bier und mehrere Gläser standen.
Die ganze Wanne war verziert und mit Rosenblättern übersät.
Auch der König musste einen Bullenkopp
(Krug) Bier spenden. Seinerseits musste er aber die Nachbarn zu einem Freitrunk
am Abend einladen.
Am dritten Tag (Hexenschüttenbeer),
war es so, dass meistens jene König
wurden, die es hatten werden wollen, aber nicht geworden sind. Man
drehte es so, dass der dann Hexenkönig wurde, der nach dem schützenfest
noch das meiste Geld hatte.
Bisher war fast nur die
Rede von den Schützen. Wie aber war es mit den Damen ? Sie kamen gerne
zu den Festen denn der liebste wartete ja. Sie kamen und und brachten eine
Tüte Zucker und einen Löffel mit; denn es gab Zuckerbier. Auch
wurde schon mal nen "Sööten" spendiert. Der jedoch kostete 5
Pfennig (Anis sagte man). Schön waren auch die damen in der Polonäse
anzusehen, trugen sie doch schwergestärkte Schürzen und dazu
ein grosses weisses, wollenes Umschlagtuch das die ganze Schulter bedeckte.
Der Brauch hielt sich bis zum ersten Weltkrieg. Es war aber unmöglich
ihn wieder aufleben zu lassen.
Da die Ortschaft im laufe
der Zeit immer grösser wurde, fand fast an jedem Samstag irgendwo
ein Tanzvergnügen statt. Diese waren jedoch alle illegal da die Stadt
keine Steuern einnehmen konnte. Nach einigen Bestrafungen der Durchführenden
wurden die Tanzveranstaltungen fallen gelassen.
Ein anderer Brauch ist das
sogenannte "Bineenescheiten" oder das "Verlobungsschiessen". Wusste oder
munkelte man es nur, dass jemand auf ein Mädchen ein Auge geworfen
hatte, dann stand das Gewehr wochenlang geladen fertig. Kam dann eines
Tages der Freier, so wusste man, dass er um die Braut werben wollte. Üblich
war es dann, das der nächstwohnende Junggeselle einen Schuss abgab,
worauf sämtliche Junggesellen einen Schuss abgaben. Unter fortwährendem
Schiessen, ging dann eine Abordnung ins Haus zur Gratulation. Diese bekamen
dafür, was das Mindeste war, einen Liter Schnaps. Wenn man dann noch
Durst hatte, und der Schnaps absolut nicht reichen wollte, dann "schmeet
man nao nen Suböschen (Silbergroschen) un deih en Fiefken naobüören".
Mit "dat Bineenescheiten"
hat man auch vielfach Unfug getrieben.
Einmal hatte ein Junggeselle
aus einer anderen Bauerschaft bei dem bauern Jürgens (Beckwermert)
etwas zu bestellen. Es war ein etwas Verwachsener. Er hatte, wie man sagte
" de Kriegskasse up den Puckel". Als nun einige Junggesellen von`t Schuot
dies sahen, verabredeten sie sich, diesem einen streich zu spielen.
Gesagt - getan ! Man holte die Püster, und schon
knallte es. Hinein ins Haus und den Glücklichen gratulieren war eins.
Doch der Besucher sass gemütlich am Herdfeuer und wollte von der Sache
nichts wissen. Aber da kam der bauer, dem die Sache selbst Spass machte,
dem Junggesellen zu Hilfe. Schnell holte er seine Magd aus dem Kuhstall,
schon diese und auch den Buckligen in die beste Stube mit den Worten "Wenn`t
so iss, dann gaot`t dao men drin, küert ju ut, un seggt us dann glieks
Bescheid". Es soll gar nicht lange gedauert haben, dass die beiden sich
als glückliches Brautpaar vorgestellt haben, zur allgemeinen Verblüffung
der Gratulanten. Keine zwei Minuten und die beiden waren sich einig, auch
wenn sie vorher noch nie ein wort miteinander gewechselt hatten.
Die Westumer bekamen ihren
Schnaps, und der Bauer gab des so gelungenen Streiches wegen auch noch
einen dazu. Noch nie soll bei einer Verlobung der Schnaps so gemundet haben
wie bei dieser. Ob aber die Ehe glücklich war, darüber wurde
nichts berichtet.
Ein anderer Fall ging nicht
so gut aus.
Bei Wegmanns up`t Schluot
lebten nur ältere ledige Frauenspersonen im Haus. Nach einer längeren
verabredung spielte man den alten damen folgenden Streich. Ein älterer
Junggeselle sollte mehrfach abends bei den Damen vorsprechen, und mal dieses
und mal jenen Anliegen vorbringen, und sich wenn möglich länger
bei den alten Tanten aufhalten. Eines Anends, als er wieder mal am Herdfeuer
sass, ging die Knallerei los. Die Gratulanten kamen ins Haus, unser Öhm
nahm die gratulation an. Er kam aber garnicht dazu, ihnen das geld für
den Schnaps zu geben, das man vorher gesammelt hatte. Es soll ein derartiges
Schimpfen, dann Fluchen und Poltern abgesetzt haben, wozu es auch noch
Schläge gegeben haben soll. So suchte man schleunigst das Weite,
und nie sollen die Beteiligten hernach wieder Lust gespürt haben,
alten Damen derartige Streiche zu spielen.
Da gerade von Schiessen
die Rede war, darf man einflechten, dass in keinem Haus früher ein
Gewehr fehlte. Man nannte es "Püster" oder "Knarre". Alle Kalieber
konnte man auf Schützenfest beim Umzug antreffen. Zum Wildern taugten
dieselben nicht. Die älteren musste man mit Stein und und Lunte anbrennen,
was beim Wildern zu umständlich war. Die späteren Kaliber mit
Abzughahn und Zündhütchen waren da schon schon besser geeignet.
Aber der laute Knall wurde zum Verräter, da war das Schlingestellen
geräuschloser.
Beim Vogelschiessen an Schüttenbeer
soll auch so mancher Püster eine Laufbauchung aufgewiesen haben, und
eine zu schwere ladung soll zu fürchterlichen Stössen in der
Schulter geführt haben. Darüber erzählt man sich folgende
Anekdote: Ein Königsaspirant schoss. Der Stoss war so stark,
dass er rücklings ins Gras fiel. Er lag unter der Schützenstange,
und auch der Vogel hatte seine luftige Höhe verlassen. Also hatte
sich der Schuss gelohnt, und der Schütze wurde Vogelkönig.
Bei vielen Freudenfesten
kam das Gewehr noch in Einsatz denn immer musste es knallen. Bei Versprüchen
(Verlobungen), Kistenwagenfahren (Einholen des Brautschatzes), beim
Vüöraobend (Polterabend) sowie beim Gaobenbrengen (Hochzeitsgeschenke).
Wer am Hochzeitstag kein Gewehr hatte , war kein ganzer Kerl. Auch
an Festtagen z.B. Osternund Weihnachten, wenn der Bauer mit seinem Gesinde
zur " Ucht " (Mitternachtsmesse) aufbrach, gab der erste Knecht einen Schuss
ab. Dass der Anbruch des neuen jahres auch beschossen wurde, versteht sich
von selber.
Nicht nur an Belustigung-
und Festtagen wurde geschossen. Da die höfe weit auseinander lagen,
wurde der Püster auch zur Alarmierung eingesetzt. Diebes- und Raubgesindel
hatten es leicht, ein Gehöft zu überfallen, und auszurauben.
Ein Schuss war dann das Alarmzeichen für alle den geschädigten
zur Hilfe zu eilen. Ähnlich verhielt man sich bei Bränden, Sturm,
Verheerungen und sonstigen Unglücksfällen, bei denen man Hilfe
brauchte. Ein Schuss, besonders in der Nacht, war immer ein signal der
Not, das um hilfe bat.
Eine besonders schöne
Sitte sollte nicht unerwähnt bleiben. Die jungen Burschen der Gesellschaft
hatten die Aufgabe, am Nikolaustag die kinder zu besuchen und zu beschenken.
Nikolaus und Knecht Ruprecht zogen nun von Haus zu haus, mit einem grossen
korb. Darin hatte man Nüsse und Walnüsse, die man selber gesucht
hatte, auch wohl Bucheckern und "Backtebiärn" (getrocknete Birnen)
und Äpfel.
St. Nikolaus wurde überall
stürmisch begrüsst von den Erwachsenen, wenn auch von den Kindern
etwas Misstrauisch.
Aber auch hier soll es zu
unliebsamen Vorkommnissen gekommen sein. Die "Nikoläuse" bekamen überall
einen und auch wohl mehrere Schnäpse. Infolge dessen soll es manchmal
recht hart zugegangen sein. Die erwachsenen Mädchen sollen mehr Schläge
mit der Rute bekommen haben, als die kinder Leckerbissen. Auch soll mal
ein Unfall vorgekommen sein. Einer dieser Vermummten Gestalten ist auf
einen Schlagbaum gelaufen. An den inneren Verletzungen soll er gestorben
sein.
Soweit über Sitten
und Gebräuche im alten Detten. Auch wenn es manchmal recht Rauh zu
und her ging, war man doch stolz seine Eigenart. Vieles und manches Schöne
ist im Laufe der Zeit verschwunden.
Quelle: Clemens Loose
250 jahre Westumer Schützengesellschaft