Das Schützenwesen in früheren
Jahrhunderten
Über die Schützengesellschaften auf
dem Lande gibt es für die Zeit vor dem 30-jährigen Krieg nur
sehr wenig Quellen: im Gegensatz zu den Städten, wo das Schützenwesen
sich bis in das 14. Jahrhundert sicher nachweisen lässt. Hier waren
die Schützen die Kerntruppe der allgemeinen Bürgerwehr. Etwa
seit dem 14. Jahrhundert schlossen sich Schützen in den Städten
zu fest organisierten Gesellschaften zusammen. Nach der Sitte der damaligen
Zeit war jede Schützengilde gleichzeitig eine kirchliche Bruderschaft,
die einen Heiligen, meistens den hl. Sebastian, als Schutzpatron verehrte,
und die neben dem weltlichen auch ein kirchliches Brauchtum pflegte. Auch
auf dem Lande gab es Einrichtungen zum Schutze der Bevölkerung, wie
Kirchhofsburgen, Wehrtürme, Wassergräben um Haus und Hof und
feste Spieker auf den Bauernhöfen.
Dieses Verlangen der Bevölkerung traf zusammen
mit dem aus der Not des 30-jährigen Krieges geborenen Bemühen
der Fürsten um einen verstärkten Schutz des Landes. So erfuhr
das Schützenwesen gerade in den Jahren nach dem 30jährigen Krieg
einen starken Auftrieb, und es ist erklärlich, dass vielfach mit der
Regierungszeit des streitbaren münsterischen Fürstbischofs Christoph
Bernhard von Galen (1650 – 1678) zusammenfällt.
Älter als das organisierte Schützenwesen
ist aber das Vogelschießen als Volksbrauch. Es ist nicht an das Bestehen
einer Schützengesellschaft gebunden, sondern wurde als Nachbarschafts-
brauch gepflegt. Im Nachbarschaftsgedanken scheint also der Ursprung des
Schützenwesens zu liegen. Dass das Vogelschießen und das mit
ihm verbundene Volksfest auch im Münsterland alter Brauch war, geht
aus der "gemeinen Münsterschen Landordnung" von 1571 hervor.
Darin heißt es: "Betr. des Vogelschießens
will man gestatten und nachgeben, dass solches an einem jeden Ort des Jahres
einmal geschehe, doch dass niemand aus fremden Bauerschaften dazu gefordert
und auf je 20 Personen eine Tonne Keut oder Bier und nicht mehr angeschlagen
werden. Soll auch solche Gesellschaft nicht länger als einen Nachmittag
währen und jeder bei Tag zeitlich sich wiederum gen Haus begeben.
Wie auch hiermit insbesondere verboten wird, dass außerhalb dieser
Vogelschießen die Hausleute oder Bauern keine Büchsen über
das Feld tragen, noch auch Wild klein oder groß, schießen sollen,
bei Verlierung solcher Büchsen und Feuerrohre".
Dem Schützenwesen liegt also ein sehr alter
Brauch zugrunde. Vom 14. bis zum 17. Jahrhundert stand die militärische
Bedeutung im Vordergrund und führte zur Bildung der Schützengilden.
In der Zeit der stehenden Heere verloren sie dann ihre Bedeutung und wurden
zu geselligen Vereinigungen, die aber das alte Brauchtum und vor allem
das Vogelschießen pflegten.
Muttergesellschaft "Isendorf-Veltruper"
Wenn die Lehmkuhler Schützengesellschaft
nun auf 100 Jahre Vereinsgeschichte zurückblicken kann, müssen
wir doch herausstellen, dass die Bewohner rund um den Teekotten bis zum
Jahre 1902 Mitglieder der Isendorf-Veltruper Schützengesellschaft
waren. Dies scheint jedoch nicht immer der Fall gewesen zu sein; aus einem
Schreiben des Bürgermeisters Tibbe vom 26.6.1816 geht hervor, dass
die Veltruper am vergangenen Sonntag nach dem Vogel geschossen haben.
Bürgermeister Speckmann berichtete im Jahre
1829 an den Landrat, daß in allen Bauerschaften nach dem Vogel
geschossen wurde. Es hatte also auch anscheinend in Isendorf eine Schützengesellschaft
gegeben. In einer anderen Amtsakte findet man eine Aufzeichnung von einer
Festlichkeit auf dem Hofe Hestert in Isendorf. Ebenso berichteten die älteren
Mitglieder von einer Fahne, die sie beim Kinderschützenfest immer
mitgeführt hätten. Auf dieser Fahne waren die Buchstaben aus
blauem Stoff zu sehen. Leider ist die Fahne aus der Gründerzeit nicht
mehr aufzufinden.
Der Grund, dass die Isendorfer nicht selbstständig
blieben, scheint darin zu liegen, dass Isendorf nur wenige Bewohner hatte.
Isendorf zählte im Jahre 1662; 89 Einwohner; 1797; 26 Häuser,
1825; 34 Häuser und 1840; 36 Häuser, 1810; 158 Einwohner, 1815;
190 Einwohner und 1842; 222 Einwohner. Bei dieser geringen Zahl war eine
eigene Schützengesellschaft nicht existenzfähig. Deshalb schlossen
sich Isendorfer und Veltruper, die unter den gleichen Verhältnissen
lebten, zu einer Gesellschaft zusammen. Der Zeitpunkt lässt sich nicht
genau feststellen, jedoch geht die Gesellschaft heute von dem Gündungsjahr
1811 aus. Diese Zahl findet sich auf einem silbernen Vogel an der ältesten
Kette. In den Chroniken erwähnt ist, dass man von 1873 bis 1876 auf
Bauernhöfen schon eigene Feste feierte.
Dabei kam es häufig zu großen Streitigkeiten
mit den Mitgliedern anderer Gesellschaften, die in der neuen Gesellschaft
eine Konkurrenz sahen. Bei einer dieser Feste kam es einmal am Teekotten
wieder zu einer größeren Auseinandersetzung. Daraufhin fanden
jahrelang keine Feste mehr statt. Ende der 80er Jahre des 19. Jahrhunderts
erwachten neue Bestrebungen eines Zusammenschlusses, aber der Erlass des
Landrates, dass sämtliche Schützenfeste an einem Tag gefeiert
werden müssten, ließ sie wieder scheitern. Dieser Erlass nahm
der Gesellschaft die Möglichkeit, fremde Besucher zur Kasse zu bitten.
Die feierten an diesem Tag ihr eigenes Fest. Eine kleine Gesellschaft aber
war auf fremden Besuch angewiesen, denn nur so war sie existenzfähig.
Man feierte also weiter bei Schipp-Hummert, jenseits
der Ems. Hier wurde im einem kleinen Gastzimmer getanzt, da der spätere
Saal noch nicht ausgebaut war. Damit kein großes Gedränge beim
Tanzen entstand, wurde ein Fenster bis auf die Erde aufgebrochen. Während
die Hälfte der Anwesenden tanzte, gingen die anderen durch die Öffnung
zur Wirtsstube und später wieder zur Tür herein, um die Tanzenden
abzulösen. So verlief dann das Fest in harmonischer Gemütlichkeit.
Man stand mit den Veltrupern in einem sehr guten nachbarlichen Verhältnis
und man wäre auch sicher dageblieben, wenn nicht die Ems den Trennungsstrich
gebildet hätte. Man mußte sich stets übersetzen lassen,
wenn man nach Schipp-Hummert gelangen wollte. Bei dem häufigen Hochwasser
im Winter war das mit Lebensgefahr verbunden.
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die erste Königskette und
Vereinsfahne
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nn |
Gründung der "Lehmkuhler
Schützen"
Den eigentlichen Grund der Trennung bestimmte
das folgende Ereignis zu Anfang des Jahres 1902. Bei Schipp-Hummert wurde
das alljährliche Weihnachtstheater gespielt. Die Ems führte Hochwasser.
Trotzdem, die Isendorfer wollten es besuchen.
Die Überfahrt gelang, aber auf der Rückfahrt passierte das Unglück.
Albert Reinermann, der das vollbesetzte Boot übersetzte, verlor die
Gewalt über das Fährseil. Infolge der starken Strömung konnte
er es nicht mehr halten. Das Boot trieb ab. Unter den Insassen brach eine
Panik aus. Der alte Fährmann Viktor Reinermann war auf die andauernden
Hilferufe hin sofort zur Ems gelaufen. Sein Ruf: "Alles stehen bleiben,
alles ruhig bleiben", übertönte das Rufen der Bootsinsassen.
Seiner Ruhe ist es auch wohl zu verdanken, daß kein Unglück
geschah. Sofort wurde mit der Rettungsaktion begonnen. Viele bange Minuten
mußten die Treibenden noch im Boot verbringen. Schließlich
gelang es aber, das Boot bei Voßschulten Wiese an Land zu ziehen.
Gedenkstein in Isendorf
Nach diesem Zwischenfall setzten sich viele Isendorfer
für die Gründung einer eigenen Schützengesellschaft ein,
um die Verbindung mit Veltrup aufzugeben. Besonders die Eltern sprachen
sich gegen die Überfahrt mit der Fähre aus. Es wurde eine Versammlung
einberufen, in der die Gründung einer neuen Schützengesellschaft
beschlossen wurde. Ein Teil der Isendorfer, diejenigen nämlich, die
nahe der Ems wohnten, waren hiervon keinesfalls begeistert. Trotzdem schlossen
sich die Bewohner rund um den Teekotten und einige Angehörige der
Westumer Schützengesellschaft zusammen und gaben dem neuen Verein
den Namen
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"Lehmkuhler Schützengesellschaft"
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Das gesamte gesellige Leben lag zu damaliger
Zeit nur in den Händen der Schützengesellschaften, deren Feste
wegen Raummangels immer überfüllt waren. Nun aber feierte man
unter sich und brauchte keinen langen Weg mehr zurücklegen. Den Gefahren
der Ems ging man damit aus dem Weg.
Die neugegründete Schützengesellschaft
nahm die Gastwirtschaft König-Teekotten zum Vereinslokal. Dieses Lokal
ist untrennbar mit der Entwicklung der Lehmkuhler Schützengesellschaft
verbunden. "Teekuotten Bänd" war über 50 Jahre Vereinswirt, bis
sein Sohn Rudi sein Erbe antrat.
Die neugegründete Lehmkuhler Schützengesellschaft
erwies sich durchaus als lebensfähig, so das bereits im folgenden
Jahr 1903 ein Schützenfest gefeiert werden konnte. Später kamen
noch "Fastaobend (Karneval) und der sogenannte Rübenball hinzu.
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Das älteste Bild von 1905
Gewiß gab es in den ersten Jahren der Trennung
von den Isendorf-Veltrupern noch auf beiden Seiten gewisse Spannungen,
aber zu nennenswerten Reibereien ist es nicht gekommen. Die Feste verliefen
stets in bester Harmonie. Fastnacht feierte man in der in Emsdetten üblichen
Form mit dem Aufholen von Mettwürsten und dem gemeinsamen Abendessen
- Erbsensuppe mit Wurst - . Dieser Brauch wurde bis Anfang der fünfziger
Jahre beibehalten. Am ersten Ostertage wurde alljährlich bei einbrechender
Dunkelheit ein großes Osterfeuer am Teekotten abgebrannt.
Das Hauptfest, "Schüttenbeer", feierte man
bereits damals jeweils am 2. Sonntag im Juli, und es dauerte mit allen
Vor-, Haupt- undNachfeiern volle acht Tage; im Volksmund treffend mit "Schüttenbeersoktav"
bezeichnet.
Nachdem die Ernte eingebracht war und die Arbeit
nicht so drängte, feierten die Bauern mit ihrem Gesinde von altersher
im Herbst ein Fest, den sogenannten "Rübenball. Es war früher
das Erntedankfest, das von den einzelnen Schützengesellschaften der
Bauerschaften getragen wurde. Diesen alten Brauch nahmen auch die Lehmkuhler
auf. Der Sinn des Festes war seinerzeit schon zu reinen Tanzabenden verflacht.
Der Name "Rübenball" ist aber bis auf den heutigen Tag erhalten geblieben.
Wie schon gesagt, verliefen die Feste auf dem
Teekotten in bester Harmonie, bis 1914 der Krieg für mehrere Jahre
dem Vereinsleben ein Ende bereitete. Fast sämtliche Junggesellen und
viele ältere Mitglieder wurden eingezogen. Nicht alle kehrten zurück.
Obwohl die Schrecken des Krieges noch nicht vergessen
waren, entfaltete sich sofort nach Kriegsende wieder eine rege Vereinstätigkeit,
und bereits 1919 war das erste Nachkriegsschützenfest. Glanzvoller
denn je verliefen in der Folgezeit die Feste. Die von Anfang an gepflegte
Kameradschaft und der Sinn für das Gemeinwohl zeigten sich in den
schweren Jahren der Inflation und der Weltwirtschaftskrise während
der zwanziger Jahre. Große Anstrengung erforderte es, das Jubelfest
aus Anlaß des 25jährigen Bestehens, verbunden mit der Fahnenweihe,
im Jahre 1927, vorzubereiten.
Über das glanzvoll verlaufene Jubelfest berichtet
die "Emsdettener Volkszeitung" in ihrer Ausgabe vom 31. Mai 1927 von 4.000
Gästen, die von dem 1.Vorsitzenden August Pleimann im Namen der Jubelgesellschaft
begrüßt wurden. Amtmann Berlage hielt die Festrede und enthüllte
die neue Fahne. Das Jubelfest verlief in schönster Harmonie, und man
erinnerte sich noch lange und gerne an dieses herausragende Ereignis.
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